Pink Prison
Von Frau Suk // 16. Juni 2011 // Tagged: Porno, Puzzy Power, Queer, Skandinavien // 6 Kommentare
Puzzy Power Manifest (PPM), allein der putzige Name lässt daran zweifeln, ob es sich hier um einen ernst gemeinten Versuch handeln kann, den Pornofilm zu revolutionieren. Aber arbeiten wir das Manifest mal anhand des mir zugelosten Kandidaten Pink Prison ab.
Tatsächlich ist, wie Marco in seiner Einleitung bereits andeutet, nichts an und in diesem Film, das nach Mut oder Einfallsreichtum röche, aber das wird im PPM auch nicht explizit gefordert. Versucht man den ersten Paragraphen des PPM auf Pink Prison anzuwenden, wird es allerdings schon eng; der Film soll eine Handlung haben. Okay, wenn man der Ansicht ist, The Expendables oder die Teletubbies hätten eine Handlung, kann man auch Pink Prison eine solche unterstellen. Aber eigentlich handelt es sich hier um eine Aneinanderreihung öder Sexszenen, mal mit (hanebüchener) Überleitung, mal komplett ohne, dazu später mehr.
„Journalistin“ Mila (Katja Kean) – mit Hilfe eines schwarzen Rollkragenpullis und einer Architektinnenbrille auf unnahbar getrimmt – wettet mit ihrem Verleger Yasia (Anders Nyborg), dass sie es schafft, ein Interview mit dem öffentlichkeitsscheuen Leiter des Pink Prison zu ergattern. Sie fährt mit dem Taxi zum berüchtigten Männerknast und zeigt dem Taxifahrer (Niels Aalbæk Jensen) schon mal richtig, wo’s lang geht, indem sie gegen sein Verbot im Auto raucht. Man, ist die emanzipiert!
Die Szene vor der Knasttür soll offenbar ein Beispiel für PPM-„Regel“ Nummer 5 darstellen; subtiler Humor sei nämlich, so die Wikipedia, gerade am Filmanfang willkommen, um das Eis zu brechen. Der skurrile zuckerwatteessende Torwächter (Ole Christensen) – tatsächlich die einzige interessante Figur des Films und insgesamt für gnadenlose 60 Sekunden im Bild – fragt die nicht eben androgyne Mila, ob sie eine Frau sei. Sie bejaht verdattert, woraufhin er feststellt, dass er sie dann unmöglich einlassen könne, da der Zutritt für Frauen verboten sei. Tür zu. Ha ha.
Eis gebrochen, weiter mit der „Handlung“ und der wirklich kreativ ausgelegten Regel 6: Es gibt keine Einschränkungen, solange alles auf akzeptable Weise dargestellt ist (über die Definition des Begriffs „akzeptabel“ bzw. „acceptable“ mache ich mir lieber keine Gedanken, gibt nur Kopfschmerzen). „Keine Einschränkung“ bezieht sich paradoxerweise in diesem Gefängnisfilm nicht auf Sexpraktiken, Moralvorstellungen oder dergleichen (bleibt alles weitgehend in der sicheren Blümchen-Zone), sondern auf die Freizügigkeit der Heldin. Mila klettert ohne Probleme über die Mauer und spielt ein Ründchen Prison Break. Innerhalb der Gefängnismauern kann sie sich, wie eigentlich auch die meisten übrigen „Bewohner“ weitgehend frei bewegen, sowas wie Alarm oder pflichtbewusste Wärter gibbet nich.
Mila, die nackt ungefähr so viel Ausstrahlung und Polyethylen-Gehalt hat wie eine Tupperschüssel und genauso vielfältig befüllbar und unkaputtbar ist, trifft im Knast natürlich ausschließlich auf Anwärter zum Chippendale des Monats. Die Strip-Tesas fummeln in vorauseilendem Gehorsam schon mal an sich selbst oder einem Kollegen rum und sind alle hocherfreut, dass die demonstrativ resolute Mila ihnen ein bisschen zur Hand geht. So richtig über Milas Anwesenheit wundern tut sich keiner, und der ein oder andere rückt nach dem Sex bereitwillig ein Schlüsselchen raus, damit Mila sich noch ein paar Türchen im Knast öffnen kann.
Die Kulisse ist pink – was sonst – und reichlich unknastig. Auch wenn es sich um die umgeschminkte Originalkulisse von Dancer in the Dark handelt, wirkt sie kein bisschen bedrohlich oder beklemmend. Eher wie das Klischee eines Edel-Fetisch-Puffs (mit Pseudo-Arztzimmer, großem Küchentisch, einem bisschen Gitter und Betten immer zufällig da, wo die Heldin gerade hin fällt). Sofern ich darauf vertrauen kann, dass die mir zur Verfügung gestellte Filmkopie nicht nachträglich geschnitten ist (oder heißt das bei Pornos beschnitten?), ist die Anordnung der Szenen wie die Abfolge von Hundehaufen auf dem Bürgersteig: Zufällig da hin gesetzt, wo noch Platz war. Der schlimmste Logikbruch erfolgt nach einer lebensmittellastigen Sexszene mit dem Gefängniskoch (Mr. Marcus), bei der sich beide ganz schön einsauen (zermatschte Wassermelone auf Haut sieht ganz schön eklig aus). Beide sind auf einmal wieder sauber, trocken, gekämmt und ordentlich angezogen. Trotzdem begibt sich Mila als nächstes in die Duschräume des Knastes, zieht sich aus und duscht ihren bereits blitzeblanken Barbie-Körper. Schnitt. Übergangslos sehen wir sie mit einer anderen Tupperdo… äh Frau (Evil Eve) im Bett, die es ihr mit einem Umschnalldildo besorgt. Die andere scheint die gesuchte Gefängnisleiterin zu sein, das Interview ist aber irgendwie kein Thema mehr.
Jener Strap-On (habe gerade von Herrn Heck den Fachbegriff für Umschnalldildo gelernt) ist übrigens der einzige Penis im Film, der nicht nach halbgarer Nudel aussieht. Vielleicht ist die Weicheierigkeit aber auch dem PPM geschuldet, schließlich soll nach Regel 3 nicht nur Wert auf die Darstellung von Genitalien gelegt werden. Aber was ist mit Regel 2? Darin steht etwas von erotisch und leidenschaftlich. Leider ist der Sport, den Mila im Akkord mit diversen Knastbrüdern betreibt, weder noch. Der Schema-F-Sex scheint auch Mila nicht zu befriedigen, denn selbst wenn sie stöhnt, als hätte sie starke Ischiasbeschwerden (ich weiß, wovon ich rede), schaut sie sich mit verkrampftem Gesichtsausdruck nach ihrem Sexpartner um, als wolle sie abschätzen, wie lange es noch dauert. Leider mal wieder kein glaubhafter Orgasmus im Porno. Aber den Männern ergeht es auch nicht besser. Dass der Frau, wie in Regel acht beschrieben, nicht ins Gesicht ejakuliert werden soll, hat die Regisseurin Lisbeth Lynghøft wohl missverstanden. Es wird nämlich gar nicht ejakuliert, weder sichtbar noch sonst wie (in der Küchenszene wird das Ejakulat immerhin von vergossener Sahne gecrèmedoubelt).
Zwei Aspekte fehlen noch. Im oben bereits erwähnten Absatz 6 wird weiterhin gefordert, Frauen dürften nicht gegen ihren Willen zu etwas gezwungen werden, es sei denn die Zwangssituation sei klar als Phantasie der Frau gekennzeichnet. Abgesehen davon, dass es in Pink Prison höchstens ein bisschen zarte Zwangsausübung auf Männer gibt: Für wie blöd halten die ManifestschreiberInnen Frauen eigentlich? Für reichlich blöd offenbar, denn anders ist Regel vier kaum zu erklären: Die Filme (kein Witz, ich zitiere) „may be set in the past or present“. Schon aus Trotz zieh ich mir als nächstes den dystopischen SciFi-Porno Café Flesh rein.
DK 1999, Regie: Lisbeth Lynghøft
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Pink Prison ist unter dem Titel Hinter Gittern gevögelt bei Magmafilm auf DVD erschienen und beispielsweise hier käuflich zu erwerben.
6 Kommentare zu "Pink Prison"
Oh… das ist mal ein Verriss!
Bislang habe ich den Film ausschließlich als Tip bekommen; er soll angeblich DER Überflieger im Porno-Genre sein, aber Ihre Meinung spiegelt das nicht unbedingt wider. Was würden Sie denn statt dessen empfehlen, speziell für Frauen?
P.S.: Nichtsdestotrotz habe ich beim Lesen mehrmals gelacht. :-) Schöne Rezension!
Freut mich, auch Belustigung hat ja mit Lust zu tun. ;-)
Das mit den Filmtipps ist jedoch schwierig. Ich fürchte, ich bin nicht ganz up to date, weil ich am liebsten Golden Ager schaue. Hier ist aus meiner Sicht „Behind the Green Door“ ganz weit oben anzusiedeln, oder auch „The Devil in Miss Jones“ (haben wir in der Rubrik „Golden Age of Porn“ besprochen, vielleicht stöbern Sie mal hier?). Mein Favorit ist „Through the Looking Glass“, der ist aber streng genommen gar kein richtiger Porno, trotz zahlreicher expliziter Szenen.
An „neueren“ Filmen fällt mir „The Masseuse“ ein, ein Film von Paul Thomas von 1990. Hört sich nach einem absoluten Klischeeporno an, ist aber nicht so – wenn man von den Spätachzigerjahrefrisuren und -blousons absieht. Ein ästhetisch sehr gelungener Erotikfilm ist „Unmoralische Geschichten“ von Walerian Borowczyk (auch auf HS rezensiert). Der ist von 1974, ich würde ihn aber als zeitlos bezeichnen.
Von den „Frauenpornos“ hat mich keiner wirklich überzeugt, aber viele habe ich auch nicht gesichtet. Mich ödet die oft billige Machart an (pseudo-chice Plastik-Deko, schauspieltalentfreie DarstellerInnen, Daily-Soap-Farben, Minimalplots). Davor sind leider auch die gefeierten Filme von renommierten Regisseurinnen nicht gefeit.
Aber: Es gibt ja offenbar zahlreiche Frauen, die diese Filme schätzen. Das beweist der Erfolg von Filmemacherinnen wie Petra Joy (ihren Film „Female Voyeur“ habe ich hier auch irgendwo verrissen. ;-)). Lassen Sie sich also durch meine Rezension nicht verunsichern. Wie man auf diese Filme reagiert, ist schließlich sehr subjektiv.
Hat jemand sonst vielleicht einen Tipp?
Frau Suk
Ich würde außerdem vor allem CABARET DESIRE (2011) von Erika Lust empfehlen – eine hübsche Kette erotischer und explizierter Storys rund um einen Vintage Club in Barcelona, warmes Licht, interessant aussehende Leute, intensiver Sex. Auch der Pornographical Remix 4-6 von Glory Hazel (2012) ist gut – ein geschmackvoller Zusammenschnitt von Szenen aus ästhetischen Pornos der 70er und 80er Jahre. Es werden darin zwar keine Geschichten erzählt, aber die Atmosphäre stimmt. Beide Filme hab ich hier bei Hard Sensations besprochen.
:) … heißen Dank auch für die Erwähung. Ist doch schön, dass ich auch mal was weiß :). Die Szene mit dem Koch ist eine Traumsequenz. Daher vielleicht das Kondom.
Das wird es sein ;-D
Mir fallen gerade doch noch zwei Pluspunkte an Pink Prison ein, die ich nicht unterschlagen will. Erstens gewöhnt sich Mila nach einer Zurechtweisung der Gefängnisleiterin das Rauchen ab (okay, ist für überzeugte Raucher jetzt kein Argument, aber ich find’s gut). Zweitens ist in der Matsch-Szene mit dem Koch deutlich ein Kondom zu sehen. Sehr löblich.
Mehr Positives kann ich dem Streifen aber beim besten Willen nicht abgewinnen. Hmm, klingt jetzt ein bisschen, als vermeldete Götz Alsmann am Ende einer Zimmer-frei!-Folge, der Kandidat habe zwei grüne Karten bekommen und drei Millionen huntertsiebenundachzigtausend rote…